Scharbockskraut
Ficaria
Familie (familia)
Hahnenfußgewächse / Ranunculaceae
Die Gattung umfasst 4 Arten weltweit.
Gemeinsame Merkmale: Wurzelknollen keulig; Stängel niederliegend bis aufsteigend; Laubblätter ungeteilt; Laubblattspreite mit herzförmigem Grund, mehr oder weniger schwach grob gekerbt, kahl; Blütenhülle in Kelch und Krone gegliedert; Kelchblätter 3 (selten mehr); Kronblätter (7)8–10(13), 10–15 mm lang, gelb, auffallend lackartig glänzend; Nektardrüsen (am Grund der Kronblätter) unter einer Schuppe („Nektarschuppe“) verborgen (Lupe!); Staubblätter kürzer als die Blütenhüllblätter; Frucht: Nüsschen.
Anmerkung:
Das im pannonischen Gebiet, also im Nord-Burgenland, nicht seltene Nacktstängel-Scharbockskraut / Ficaria calthifolia ist mit dem Knöllchen-Scharbockskraut / Ficaria verna s. str., einer sehr häufigen, allgemein bekannten und weit verbreiteten Art sehr nahe verwandt und ihm recht ähnlich. Wegen der nahen Verwandtschaft wurden (und werden) diese beiden Arten in manchen Büchern als Unterarten bewertet. Aufgrund der folgenden Unterschiede betrachten wir (wie die meisten gegenwärtigen Taxonomen) diese beiden Sippen trotz der großen äußerlichen Ähnlichkeit als Arten.
Art (Spezies) oder Unterart (Subspezies) – wo liegen die Unterschiede?
Am auffallendsten sind die am Blütenstiel fehlenden (Ficaria calthifolia) bzw. vorhandenen (Ficaria verna) Laubblätter. Außerdem bildet Ficaria verna, im Gegensatz zu Ficaria calthifolia, Knöllchen („Bulbillen“) in der Achsel dieser Stängelblätter, mit denen sie sich „vegetativ“ fortpflanzt (die Blüten bilden keine oder nur ausnahmsweise einige wenige Früchte). Ficaria calthifolia pflanzt sich hingegen geschlechtlich (sexuell) fort. Sie bildet Früchte mit Samen, welche zur Fruchtreife durch die nach unten gekrümmten Fruchtstiele von Ameisen verschleppt werden können. Diese verschiedenen Fortpflanzungsweisen sind biologisch relevant und daher ein wichtiges Merkmal, das für die Einstufung als Art spricht. Ein weiteres Argument für den Art-Rang ist die damit verbundene verschiedene Chromosomenzahl. Ficaria calthifolia hat 16 Chromosomen, sie ist „diploid“; Ficaria verna hingegen hat 32 Chromosomen, sie ist „tetraploid“. Sie können sich daher nur ausnahmsweise kreuzen und Hybriden (Bastarde) sind somit ziemlich selten. Dazu kommt – für die Rangstufe in hohem Maße entscheidend – ein deutlicher „ökogeographischer“ Unterschied. Die Arten besiedeln verschiedene Standorte („Habitate“) und haben vor allem auch verschiedene Verbreitungsgebiete. Ficaria calthifolia ist eine pannonische Art, in Österreich kommt sie nur im nördlichen Burgenland und im östlichen Niederösterreich vor, und zwar an Wald- und Gebüschrändern, in Halbtrockenrasen und auch in Kunstrasen (sehr oft auf Friedhöfen). Ficaria verna hingegen ist in Mitteleuropa weit verbreitet, auch im ganzen Burgenland, und wächst vor allem in Auwäldern und anderen nährstoffreichen, feuchten Laubwäldern.
Namen – Erläuterungen am Beispiel Ficaria / Scharbockskraut
Die beiden Sippen müssen, wenn sie als Unterarten betrachtet werden, andere Namen haben, weil der Name immer die Rangstufe (Art oder Unterart) anzeigt. Die Pflanzennamen sind generell von der Taxonomie abhängig, das heißt von der taxonomischen Einstufung. So heißen diese beiden Sippen z. B. in Janchens „Flora von Wien, Niederösterreich und Nordburgenland“ (1966–1975) – und ebenso auch in der 2. Auflage (1974) der bekannten, vielbändigen Mitteleuropa-Flora von Hegi – Ficaria verna subsp. calthaefolia / Fruchtende Feigwurz und Ficaria verna subsp. bulbifera / Knöllchen-Feigwurz. Die beide Sippen sind nun Unterarten innerhalb der Art Ficaria verna s. lat., d. h. sensu lato = „im weiteren Sinn“, denn dieser Name „Ficaria verna“ hat hier eine andere Bedeutung als „Ficaria verna“ im obigen Sinn, wo wir an den Namen „s. str.“ = sensu stricto, d. h. „im engeren Sinn“, angefügt haben.
- Das lateinische Epithet (= Beiname) „verna“ heißt: „zum Frühling gehörend“, also „Frühlings-“. – Das Subspezies-Epithet „bulbifera“ bedeutet, wörtlich übersetzt, „zwiebeltragend“; gemeint ist aber „knöllchentragend“, denn die Fortpflanzungskörper in der Achsel der Stängelblätter sind keine Zwiebelchen, sondern Wurzelknöllchen. – Die alte Schreibweise „calthaefolia“ muss gemäß den Regeln auf „calthifolia“ geändert werden. – Das lateinische Epithet calthifolia bedeutet, wörtlich übersetzt, „sumpfdotterblumenblättrig“ und stammt vom deutschen Botaniker H. G. L. Reichenbach, veröffentlicht 1832 in dessen „Flora Germanica Excursaria“ auf Seite 718.
- Zum Namen Ficaria calthifolia gibt es ein Synonym (= Name, der die gleiche Art bezeichnet): Ficaria nudicaulis („nacktstängelig“) vom österreichischen Botaniker Anton Kerner von Marilaun, veröffentlicht 1863 in der Österreichischen Botanischen Zeitschrift. Dieses Synonym ist jedoch gemäß den Nomenklaturregeln ungültig, weil es jünger ist, d. h. später veröffentlicht wurde als calthifolia.
Die deutschen Namen unterliegen keinerlei Regeln, es gibt auch keine Standardisierung, weshalb, wie im vorliegenden Fall, verschiedene Bücher unterschiedliche Namen verwenden. Die für die Gattung Ficaria häufig verwendeten „Büchernamen“ (im Unterschied zu mundartlichen Volksnamen) sind „Feigwurz“ und „Scharbockskraut“. Der erste Name ist die Übersetzung von (lateinisch) „Ficaria“, eine Anspielung auf die verdickten Speicherwurzeln, die die Gattung u. a. von der Gattung Ranunculus unterscheiden. Die Feige heißt lateinisch – und übrigens auch botanisch – „Ficus“, und „Ficaria“ ist die medizinische Bezeichnung für eine schreckliche, heute seltene Hautkrankheit, bei der die Haut längliche Pusteln bildet, die den Knollen des Scharbockskrautes ähneln. – Doch zurück zur sympathischeren Botanik:
Nun gibt es für die erwähnten zwei Arten bzw. Unterarten noch weitere Synonyme, und zwar unabhängig von der Einstufung als Art oder Unterart. Die Gattung Ficaria / Scharbockskraut ist eng verwandt mit der Gattung Ranunculus / Hahnenfuß, weswegen früher die meisten Taxonomen und Florenverfasser die (übrigens sehr kleine) Gattung Ficaria als Untergattung innerhalb der (sehr großen) Gattung Ranunculus betrachtet haben. In diesem Fall sind unsere beiden Scharbockskräuter also Hahnenfuß-Arten und haben natürlich dementsprechende Namen: Ranunculus calthifolius bzw. Ranunculus ficaria. Und falls man sie als Unterarten einstuft, heißen sie dann Ranunculus ficaria subsp. nudicaulis / Nacktstängeliger Feigwurz-Hahnenfuß bzw. Ranunculus ficaria subsp. bulbifer / Knöllchentragender Feigwurz-Hahnenfuß. Jede der beiden Sippen hat also entsprechend der taxonomischen Bewertung vier (!) verschiedene wissenschaftliche („lateinische“) Namen.
Um anzudeuten, wie schwierig es ist, passende und unmissverständliche deutsche Namen zu finden, sei auf folgende Situation hingewiesen: In Westeuropa gibt es eine weitere Ficaria-Art, die wie Ficaria calthifolia am Stängel keine Knöllchen bildet und Früchte mit Samen erzeugt, jedoch so wie Ficaria verna Stängelblätter trägt – sie heißt Ficaria ambigua mit den Synonymen Ficaria fertilis und Ficaria verna subsp. fertilis sowie Ranunculus ficaria subsp. fertilis (das lateinische Wort fertilis bedeutet „fruchtbar“). Sie kommt auch in der Schweiz vor und hat in einer Schweizer Flora den deutschen Namen „Fruchtendes Scharbockskraut“. Mit diesem Namen wird – siehe oben – aber auch Ficaria calthifolia bezeichnet!
Dieses Beispiel zeigt auch, dass die deutschen Büchernamen prinzipiell unzuverlässig sind.
(M. A. F.)
Detailbeschreibung
Blütenbiologie:
- Blüten oder Blütenähnliche Strukturen vorhanden: Vermehrung über Samen (Samenpflanzen)
- Blüten zwittrig
- Pflanze einhäusig
Blütenblätter:
- Farbe: gelb
- Anzahl: mehr als sechs Blütenblätter
- Blüte mit Nektarien/Nektarblättern/Diskus
Kronblätter 10–15 mm lang
Kronblätter gelb (7)8–10(13), auffallend lackartig glänzend
Nektardrüsen (am Grund des Kronblatts) unter einer Schuppe („Nektarschuppe“) verborgen (Lupe!;)
Blütenkelch:
- Anzahl: 3 Kelchblätter
Kelchblätter 3 (selten mehr)
Wurzel (Knolle, Rhizome, Zwiebel):
- Speicherwurzel(n) – Rüben und Wurzelknollen
Wurzelknollen keulig
Spross, Achse, Stamm (zB Borke), Stängel, Internodien:
- Wuchs: Pflanze niederliegend oder aufsteigend
Stängel niederliegend bis aufsteigend
Blatt (Bl. Spreite, Haare, Farbe, Nervatur):
- Blattform: einfach und ungeteilt (zB Buchenblatt)
- Blattrand: gekerbt
- Spreitengrund herzförmig
Laubblätter ungeteilt
Laubblattspreite mit herzfömigen Grund, ± schwach grob gekerbt, kahl
Samen:
- Samen von Fruchtknoten eingeschlossen (Bedecktsamer)
Vermehrungsstrategien:
- sexuell
- asexuell - rein vegetativ, über Ausläufer, Brutknöllchen etc..